Natives vs. Immigrants – stellt sich in sozialen Medien wirklich noch die Generationenfrage?

„Alle schauen nur mehr auf ihre Smartphones, niemand grüßt sich richtig, Bitte `und Danke sind schon lange vorüber und überhaupt hat der respektvolle Umgang mit der älteren Generation sich voll und ganz gewandelt!“, hört man genau jene Generation schimpfen. Denn bei „den Älteren“ handelt es sich um die Generation, die noch vor der digitalen Revolution geboren wurden. Die „Digital Immigrants“ wuchsen analog auf und lernten frühestens im jungen Erwachsenenalter, mit der technischen Entwicklung nach und nach zu leben.

Fotografin Nicole Monet begleitet werdende Eltern und veröffentlicht die Bilder der Geburt auf Wunsch in sozialen Medien © Instagram @monetnicolebirths
Stellt sich in sozialen Medien noch eine Generationenfrage? Fotografin Nicole Monet begleitet werdende Eltern und veröffentlicht die Bilder der Geburt auf Wunsch in sozialen Medien © Instagram @monetnicolebirths

Bei jener Generation wiederum, die mitten in die digitale Moderne hineingeboren wurde, handelt es sich um die sogenannten „Digital Natives“.„Digitale Eingeborene“ kriegen dabei so einiges ab, wenn es um die Ursachenforschung für die vermehrt negative Darstellung digitaler Entwicklungen geht.

© Instagram @nicolemonetbirths
© Instagram @nicolemonetbirths

Schließlich waren doch sie es, die unsere Kommunikation so gravierende verändert haben. Die vergessen haben, wie es sich anfühlt, draußen zu spielen und die niemals mehr von selbst auf die Idee kommen würden, sich mit ihren SpielkameradInnen und FreundInnen mal ohne Smartphones zu treffen. Die Digital Natives sind es, die jegliches Gefühl für Zeit verloren und und deren Geduld auch nur 2 Minuten offline auf den Bus zu warten zusehends abgenommen haben. Sie präsentieren sich exzentrisch in sozialen Medien und ihre Ich-Bezogenheit steigt dank Selfie-Stick und Instagram-Filter bis ins Unermessliche. Das kleine rechteckige Gerät bildet nun mal das „Schweizer Messer der Informationsgesellschaft“ (Spitzer, 2015) und neue Medien dienen vor allem jungen Menschen als ein historisch einzigartiges und allen zugängliches Resonanzsystem unter dessen Spiegel-, Echo- und Verstärkerwirkung sich die Menschen stärker aufeinander beziehen (Altmeyer, 2016)

Von Schuld und Schuldigen – Mehr als eine Generation lebt online sozial

Wo junge Menschen schneller einsteigen, mehr online Freunde in sozialen Netzwerken vorweisen und – nicht zuletzt aufgrund ihrer logischerweise fehlenden Lebenserfahrung – ungehemmter im Internet surfen, da sind ihnen Digital Immigrants dichter auf den Fersen als man meinen möchte: Wie sonst kann es sein, dass sich unter den rund 7,6 Milliarden Menschen auf unserem Planeten 3,03 Milliarden Social Media Nutzer finden lassen (Statista, 2018). Soll es sich dabei lediglich um Digital Natives handeln? Natürlich nicht! Doch auch was die unachtsame Nutzung sozialer Medien angeht, so möchte ich mit ein paar weiteren Fakten die Lanze für die Digital Immigrants brechen: Laut amerikanischen Studien passiert die „digitale Geburt“ eines Neugeborenen ab dem sechsten Monat (Stamoulis, 2011). Und welches kleine Baby schafft es zu diesem Zeitpunkt selbst, sich mal schnell auf Facebook einzuloggen um ein Bild von sich zu posten? Digital präsent, das bedeutet regelmäßig in sozialen Medien dargestellt, werden Kinder im Übrigen ab dem Alter von zwei Jahren (Stamoulis, 2011). Auch hier fällt es den meisten Digital Natives wohl noch etwas schwer, ihre Postings eigenständig zu verfassen (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel!).

Was ich damit sagen möchte? Dass die heranwachsende Generation schon lange von ihren digital immigrierten Vorgängern lernt. Immitationslernen lautet das Zauberort, durch welches junge Menschen sich aufgrund von Nachahmungen des Verhaltens ihrer Bezugspersonen heute zunehmend intensiver mit allem auseinandersetzen, was leuchtet, blinkt, Tasten oder schon keine Tasten mehr hat.

Was aus reiner Neugier von Eltern und Bezugspersonen angenommen wird, verstärkt sich später durch soziale Vergleiche, Konformitätsdruck und die Angst, nicht dazuzugehören (Przybylski et al., 2013)
Möglichst wertfrei – und dabei kann ich nicht leugnen einen ausgeglichenen Gebrauch analoger und digitaler Medien als adäquateste Strategie über alle Generationen hinweg anzusehen – stelle ich bei meinen Recherchen immer wieder fest, dass sich der Gebrauch digitaler und sozialer Medien schon längst jeglicher Generationenfrage entzogen hat. Wo „die Schuld an alldem“ durch negativ eingestellte Digital Immigrants einst bei den „unreflektierten, unachtsamen und unkonzentrierten Digital Natives“ gesucht wurde, sollten wir uns heute auf eine heranwachsende Generation einstellen, deren Online Identität gänzlich fremdbestimmt erschaffen wurde. Ob und wie die Darstellung in und der Umgang mit digitalen und sozialen Medien dabei generationenübergreifend erfolgen soll oder muss bleibt wie immer jedem selbst überlassen…

Quellen:
Altmeyer, M. 2016. Auf der Suche nach Resonanz. Wie sich das Seelenleben in der digitalen Moderne verändert. Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.
Przybylskia, A.,K., Murayama, K., DeHaan, C.R. and Gladwell, V. Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior. Volume 29, Issue 4, July 2013, Pages 1841-1848
Spitzer, M. 2015. Cyberkrank. Wie das digitalisierte Leben unsere Gesundheit ruiniert. Droemer HC
Stamoulis, K. (2011). The digital lives of babies. The Amplifier. Spring/Summer 2011, 4-5

Über mich
Als Psychologin arbeite ich in den Bereichen der Sport- und der Arbeitspsychologie. Zudem befinde ich mich in Ausbildung zur klinischen Psychologin unter Supervision. Meine psychologische Praxis befindet sich in Tirols Hauptstadt Innsbruck, wobei ich auch als „mobile Psychologin“ österreich- und deutschlandweit unterwegs bin. In meiner psychologischen Arbeit setze ich mich vermehrt mit dem Gebrauch digitaler und sozialer Medien auseinander und schenke auch der modernen Kommunikation zunehmend Beachtung. Ganz abgesehen von den Bildschirmen, die sich um uns befinden bin ich auch sehr gerne von „realen“ Menschen umgeben und würde mich selbst als kommunikativ und offen bezeichnen. Als Psychologin schreibe ich über meine Gedanken, verfasse sportpsychologische Blogs für diverse Portale, gebe Literaturempfehlungen in Form meiner Lesezeichen  und freue mich über Rückmeldungen zu meinen geschriebenen Worten.

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