Fast wie Robin Hood – von den mentalen Aufgaben eines Bogenschützen!

Vergangene Woche durfte ich die spannende Erfahrung machen, eine Vize-Weltmeisterin im Bogenschießen durch einen Parcours zu begleiten. Maria Werth von der Innsbrucker Hauptschützen Gesellschaft Sektion Bogensport führte mich dabei in den Umgang mit den sogenannten Recurve-Bögen ein. Dabei lernte ich diese Jahrtausende alte Sportart Bogenschießen erstmals richtig kennen. Besonders beeindruckte mich bei dem Ausflug in die Tiroler Wälder jedoch nicht nur die Einführung in die Techniken den Bogensports, sondern auch die mentalen Herausforderungen dieser diffizilen Sportart:

Zu Beginn des Parcours hatte ich ziemlichen Respekt vor den Pfeilen und meinem Bogen.
Zu Beginn des Parcours hatte ich ziemlichen Respekt vor den Pfeilen und meinem Bogen.

1. Vom „einfach Abdrücken“ und der Hemmschwelle „loszulassen“!
Vielleicht kommt es daher, dass es nicht mehr in der Natur des heute lebenden Menschen liegt oder liegen sollte, einfach so zu schießen und einen in einen Bogen gespannten Pfeil loszulassen. Das hemmende Gefühl den spitzen Pfeil aus dem Bogen schießen zu lassen, empfand ich jedenfalls als erste mentale Herausforderung beim Bogenschießen!
Tipp: Einmal gemacht wurde es für mich zunehmend leichter, den Pfeil loszulassen und abzufeuern. Um dieser Herausforderung gewachsen zu werden half mir der Zuspruch meiner Übungsleiterin, aber auch die Tatsache, die Scheibe treffen zu wollen – meine Zielsetzung eben!

2. Die Scheibe als Spiegel: „Schieße gegen dich selbst“
Dieser schlaue Satz ist (leider) nicht mir selbst eingefallen, er gilt nämlich seit jeher als mentales Mantra im Bogensport. Die Scheibe wird als Spiegel gesehen, der die Verfassung des Schützen widerspiegelt und damit Aufschluss über seine Stärken und Schwächen gibt. Auch ich hatte das Gefühl, dass die Scheibe bzw. mein mir vorgenommenes Ziel mir eine sofortige Rückmeldung über meine mentale Verfassung geben konnte.
Tipp: Diese sofortige Verdeutlichung meiner Fähigkeiten stellte anfangs eine weitere mentale Herausforderung für mich dar, fiel mir jedoch leichter, als ich begann, mich auf meine Stärken zu fokussieren. Der bekannte Autor Paolo Coelho schreibt in einer Kolumne über den Bogensport, dass „das Ziel niemals dein Feind sein darf“. Eine nachvollziehbare Betrachtungsweise, sieht man es als den Spiegel seiner selbst.

Ruhe und Schnelligkeit - auf dieses Wechselspiel kommt es beim Bogenschießen an. Auch die Atmung ist ein wichtiger Punkt!
Ruhe und Schnelligkeit – auf dieses Wechselspiel kommt es beim Bogenschießen an. Auch die Atmung ist ein wichtiger Punkt!

3. Für Ruhe sorgen & schnell sein!
Eine weitere mentale Herausforderung, die (mir) der Bogensport bot, ist das Zusammenspiel zwischen absoluter Ruhe und der Schnelligkeit, um einen guten Schuss abgeben zu können. Je nach Sehnen- und Bogenart ist nämlich die Voraussetzung für einen gelungenen Schuss, den Pfeil nicht zu lange im gespannten Bogen verharren zu lassen. Die Ruhe, um einen gezielten Schuss erst abliefern zu können muss wiederum ebenfalls möglichst schnell erreicht werden.
Tipp: Ein wichtiger Aspekt, um ein erfolgreicher Bogenschütze werden zu können, ist die Atmung. Sie reguliert, entspannt oder aktiviert den Körper. Gezielte Atemtechniken können auch innere Ruhe ziemlich schnell ermöglichen. Atemtechniken zählen für mich zu den mentalen Must-Haves eines Bogenschützen!

4. Kurz vor dem Schuss stehen & einen Anker schaffen!
Ob die gespannte Sehne nun – je nach Händigkeit – links oder rechts an den Mundwinkel, oder sogar zwischen Mund und Nase des Schützen geführt wird, ist beim gespannten Bogen abhängig von der Körperhaltung. Diese Ankerpunkte erstmal zu schaffen, zählt jedoch zu einer unabdingbaren mentalen Fertigkeit eines Bogenschützen.
Tipp: Im Bogensport ist die Wiederholbarkeit von großer Bedeutung. Sind die „technischen Details“ des Schießens erstmal geklärt geht es darum, sich durch ständige Übung an den möglichst perfekten Schuss heranzutasten. Anker helfen dabei, Sicherheit und Routine in Abläufe zu bekommen.

Als ich mit Pfeil und Bogen im Wald unterwegs war fühlte ich mich beinahe wie Robin Hood.
Als ich mit Pfeil und Bogen im Wald unterwegs war fühlte ich mich beinahe wie Robin Hood.

4. Den Fokus behalten und die Aufmerksamkeit wechseln!
Auf meinem ersten Bogenschieß-Parcours habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass die gezielte Lenkung der Aufmerksamkeit – besonders im freien Gelände – eine große Rolle spielt. Während es für den erfolgreichen Schützen wichtig ist, sich während dem Schuss zu hundert Prozent zu konzentrieren, muss gleichzeitig auch auf mögliche andere Schützen im Parcours geachtet werden.
Tipp: Sich in einem Moment nur auf Pfeil und Bogen und das Ziel zu konzentrieren und dabei sein Umfeld nicht ganz außer Acht zu lassen, lässt sich durch die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit üben. Eine wichtige Voraussetzung, um unter geübten Schützen bestehen zu können!

5. Embodiment üben oder „sich wie Robin Hood fühlen“!
An diesen Helden aus meinen Kindertagen musste ich oft denken, als ich mich – „bewaffnet“ mit Pfeil und Bogen – in meinem ersten Waldparcours wiederfand. Die Erinnerung an Robin Hood half mir glaube ich auch, eine geeignete Körperhaltung als Bogenschützin einzunehmen.
Tipp: Aufrecht zu stehen und die korrekte Arm-, Bein-, Rumpf- und Kopfhaltung einzunehmen ist beim Bogenschießen nicht nur für den richtigen Blick entscheidend. Mit Embodiment-Techniken lässt sich auch die Selbstsicherheit eines Bogenschützen trainieren.

6. Die Gedanken frei machen & für klare Absichten sorgen!
Schon der Spaziergang in den Wald führte bei mir zu einem Gefühl der Schwere- und Gedankenlosigkeit. Diese ist entscheidend, um genügend positive Energie für einen gelungenen Schuss zu sammeln. Paolo Coelho schrieb dazu: „Halte den gespannten Bogen mit Anmut, fordere jedem Teil Deines Körpers nur das ab, was nötig ist, und vergeude deine Energie nicht“. Eine Eigenschaft, die gute Sportler nicht nur im Bogenschießen ausmacht.
Tipp: Sich seiner Ressourcen bewusst zu sein und seine Gedanken frei machen zu können sind wichtige Aspekte für Erfolg. Dabei helfen oft einfache Techniken, wie seine Gedanken vor dem Training – zum Beispiel eben dem Bogen-Parcours – aus dem „Kopf zu schreiben“, ein „Gedanken-Stopp-Ritual“ gegen Grübeleien einzuführen oder wieder zum bewussten Atmen zurückzukehren.

Mit diesen neuen und altbewährten mentalen Erkenntnissen im Gepäck möchte ich abschließend nochmals meiner Trainerin Maria für die spannende Erfahrung des Bogenschießens danken!

JohannaÜber mich
Ursprünglich aus dem Pferdesport kommend, habe ich bereits früh meine Leidenschaft für die Sportsychologie und das mentale Training entdeckt. Nach meinem Studium der Psychologie habe ich mich daher für eine Spezialisierung im Bereich Sportpsychologie entschieden. Als aktive Springreiterin und Marathonläuferin weiß ich, wie wichtig ein klarer Kopf, starke Nerven und ein ausgeglichenes Wesen beim Sport sind. Alle weiteren (mentalen) Themen, die ich im Sport als wichtig erachte, präsentiere ich euch jede Woche in meiner Kolumne.

Solltet ihr noch Fragen zu meiner Person oder meinen Leistungen haben, könnt ihr mich gerne unter johanna@mentalsportsconsulting.com kontaktieren! Ich freue mich auch über euren Besuch auf meiner Webseite und auf meinen Social Media Kanälen!

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